Düsseldorf, 15.09.2015. Gesetzesänderungen sind für Regierungen immer ein Anlass, sich publikumswirksam der Öffentlichkeit zu präsentieren. Nicht so bei den letzten Schulrechtsänderungsgesetzen, welche die Grün-Rote-Landesregierung in NRW durchs Parlament hat durchwinken lassen. Das 9. Schulrechtsänderungsgesetz schaffte die Voraussetzung dafür, dass die Gliederungen des deutschen Schulsystems mittelfristig aufgehoben werden können und auch Gymnasien verpflichtet werden, alle Schülerinnen und Schüler ohne Leistungsdifferenzierung aufzunehmen und zu beschulen.
Das 12. Schulrechtsänderungsgesetz vom 25. Juni 2015 regelt nun vor allem das Maß an politischer und religiöser Neutralität von Lehrkräften und Schulleitungen. Denn der neue Absatz 8 im § 2 des Schulgesetzes NRW enthält nicht nur die Verpflichtung für Schulleiterinnen und Schulleiter sowie für Lehrkräfte, politisch und religiös neutral zu sein – eigentlich eine Selbstverständlichkeit und eine bisher durchgehend geübte Praxis, bisher geregelt in § 57, Absatz 4 – , sondern nun wird sogar gefordert, dass jede Lehrkraft durch ihr Verhalten bei Eltern und Schülern nicht einmal den Eindruck erwecken darf, dass sie gemäß § 58 gegen die Menschenwürde, die Gleichberechtigung nach Artikel 3 des Grundgesetzes, die Freiheitsgrundrechte oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung auftritt. Damit werden den Eltern oder anderen Personen alle Möglichkeiten gegeben, unliebsame Lehrkräfte mit dem Vorwurf der Neutralitätsverletzung zu überziehen. Denn einen Eindruck von einem Verhalten zu haben ist eine durchaus subjektive Erfahrung, die mit dem tatsächlichen Verhalten der Lehrkraft nichts zu tun haben muss.
Hier sind der Willkür Tür und Tor geöffnet. Verschärft wird die Willkürgefahr noch dadurch, dass gleichzeitig der gesamte Absatz 4 im § 57 gestrichen wird. In ihm war bisher die Neutralitätspflicht des Schulpersonals festgelegt, allerdings mit dem Zusatz, dass „die Wahrnehmung des Erziehungsauftrags nach Artikel 7 und 12 Abs.6 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und die entsprechende Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen … nicht dem Verhaltensgebot nach Satz 1“ widerspreche. Hier traute man sich offensichtlich nicht, nur die Passage aus dem Absatz zu streichen, sondern verlagerte den gesamten Passus in den § 2, sodass es dem oberflächlichen Leser nicht auffallen kann, dass bei der Verlagerung der Bestimmungen von einem in den anderen Paragraphen plötzlich eine wichtige Regelung des alten Paragraphen „verloren“ gegangen ist.
Wahrscheinlich hatte man doch zu viel Angst, dass die Streichung dieses Satzes zu Debatten im Landtag und damit zur Aufregung in der Öffentlichkeit führen könnte. Denn die Streichung dieses Passus bedeutet auf jeden Fall, dass die „Verbreitung christlicher Bildungs- und Kulturwerte“ durch eine Lehrkraft außerhalb des Religionsunterrichts als Neutralitätsverletzung im oben beschriebenen Sinne aufgefasst und die Lehrkraft wegen Verletzung der Neutralitätspflicht belangt werden kann.
Auf leisen Sohlen kommt da eine Änderung her, die den Vorzug des Christlichen zugunsten anderer Religionen abschafft und damit eine wichtige Säule unserer politisch-demokratischen Grundordnung wegbricht. Man kann ja dafür sein. Aber die Tatsache, dass alles stillschweigend verläuft, zeigt das schlechte Gewissen der politischen Entscheidungsträger und die Angst, entlarvt zu werden als Zerstörer der Voraussetzungen, die für unsere Staatsordnung erst das Gerüst bilden.
Helmut Seifen
Kontakt: helmut.seifen@t-online.deDer 61jährige Vollblutpädagoge und fachpolitische Landessprecher Schule / Bildung der AfD NRW begann seine Karriere nach seinem Studium der Geschichte und Germanistik 1978 als Referendar und ist seit 2001 Schulleiter – derzeit am Werner-von-Siemens-Gymnasium in Gronau. Nach seinem über 20jährigen Engagement in der CDU – unter anderem im Rat der Stadt Gronau -, entschied sich Seifen im Mai 2013 für die Alternative für Deutschland, in der er u.a. als Sprecher des Kreisverbandes Borken aktiv ist.
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