Der Bruch zentraler Versprechen (Niemand tritt für die Schulden Dritter ein!)

[2] und Verträge[3] (u.a. die No-Bail-Out-Regelung des Maastrichter Vertrages in Artikel 125 EUV) im Zusammenhang mit der Einrichtung der Europäischen Währungsunion war ein zentrales Gründungsmotiv der Alternative für Deutschland. Wir erinnern uns: Im Herbst 2011 hatte die FDP als letzte im Bundestag vertretene Partei nach einem Mitgliederbescheid zum EU-vertragswidrigen, permanenten Rettungsschirm ESM der bis heute andauernden Staatenretterei zugestimmt. So entstand im Bundestag eine nahezu widerspruchsfreie, Parteigrenzen übergreifende Zustimmungspolitik, wo die Abgeordneten ein Rettungspaket nach dem anderen durch das parlamentarische Abstimmungsverfahren peitschten, vereinzelte, charakterstarke Kritiker in den eigenen Reihen isolierten, öffentlichkeitswirksam bekämpften und innerparteilich abstraften. Der Begriff der Alternativlosigkeit als semantisches aber inhaltsleeres Rechtfertigungsargument für die Vertragsbrüche war geboren und die Geburtsstunde der AfD eingeläutet.

Die Ergebnisse dieser fatalen, ökonomische Gesetzmäßigkeiten und Rechtsgrundlagen ignorierenden Rettungspolitik liegen vor: Für die deutschen Steuerzahler summieren sich die Ausfallrisiken für ausgereichte Kredite über die Rettungsschirme, den in den Targetsalden schlummernden Nettopositionen der Gläubigerländer[4] und den Abschreibungsrisiken für unzureichende Sicherheiten der angekauften Staatsanleihen in der EZB-Bilanz (27% Haftung für Deutschland bei 1 Stimme im Zentralbankrat!) auf eine Größenordnung, die Schätzungen von Prof. Sinn (2015) zufolge bei fast 1 Billion Euro liegt.[5]

Nun wird ein neues, brisantes Detail bekannt, pikanterweise durch eine von der EZB höchst selbst in Auftrag gegebene Haushaltsbefragung des Eurosystems zu Finanzen und Konsum[6]. Was wie eine trocken klingende statistische Erhebung klingt, birgt Sprengstoff.[7] Durch die Befragung von 84.000 Haushalten in den Jahren 2013 und 2014 ermittelte die EZB das durchschnittliche Vermögen in den 18 Ländern des Euro-Raums. Ergebnis: Gegenüber der ersten Befragung in 2010 ist das durchschnittliche mediane Nettovermögen in der Eurozone um 10,5% auf 104.100 Euro gesunken[8]. Die deutschen Haushalte kommen lediglich auf ein medianes Nettovermögen von 63.293 Euro, während es in Zypern schon bei 177.074 Euro und in Spanien bei 166.144 Euro liegt.[9] Sie erinnern sich, Zypern ist das Land, das 2013 Pleite gegangen ist und mit 10 Mrd. Euro gerettet wurde. Ärmer als die Deutschen sind nur noch die Bevölkerungen der Slowakei, Estlands und Lettlands. Sogar das mittlere Vermögen der Griechen liegt über dem der Deutschen. Ähnlich sieht es bei der Frage des Immobilienbesitzes aus. Im Euroraum leben der Studie zufolge ca. 60% der Privathaushalte in ihren eigenen vier Wänden, in Deutschland sind es lediglich 44% (Schlußlicht), während in Spanien nahezu 83% und Griechenland über 72% Wohneigentum besitzen.[10]

Die Ursachen für die unterschiedliche Vermögenslage sieht die EZB im Anlageverhalten der Deutschen. Diese haben zwar alle ein Giro- oder Sparkonto, sowie Vermögen in Form von Renten- oder kapitalbildenden Lebensversicherungen, aber eben wenig Aktien bzw. Fonds. Das konservative Anlageverhalten der Deutschen paßt halt nicht zur Strategie des ungehemmten Gelddruckens. Zwar wird den deutschen Untertanen die Blüm-Lüge „Die Renten sind sicher“ seit Jahrzehnten offensiv verkauft und verstärkte Sparanstrengungen und Vorsorge zur Deckung der absehbaren Rentenlücke eingefordert. Wir Deutschen legen aber zu konservativ und wenig risikobereit an.

Fazit: Die Deutschen Steuerzahler haben zwar halb Europa trotz anderslautender Verträge vor der Pleite gerettet, müssen sich zudem als hartherzige Geizhälse (und mehr) beschimpfen lassen, aber die Menschen in den geretteten Krisenländern wie Zypern, Griechenland oder Spanien sind im Durchschnitt deutlich reicher als in Deutschland. Vor diesem Hintergrund erhält das von AM regelmäßig verfügte Mantra: „Kein Land profitiert so vom Euro wie Deutschland“ stark sarkastische Züge. Nur die Mimik der Vortragenden will dazu so überhaupt nicht passen. Und hier liegt das eigentliche Problem: Sie meint und glaubt das wirklich.

Bonmot am Rande: Die EZB ließ die Ergebnisse dieser aufwendigen Studie nur in Englisch verfassen und veröffentlichte sie erst am 23. Dezember 2016.


Quellen:

[1] Dr. Bernhard Iking am 19.1.2017

[2] Vor der Einführung des Euros wurde uns allen weiß gemacht, Die CDU hat vor Einführung des Euros noch im Jahre 1998 damit Wahlkampf gezogen mit der Losung, dass niemand für die Schulden der Anderen haften muß. Folgende  Botschaft zierte der eigene Wahlkampfflyer „Was kostet uns der EURO? Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen? „Ein ganz klares Nein! Der Maastrichter Vertrag verbietet ausdrücklich, dass die EU oder die anderen EU-Partner für Schulden eines Mitgliedstaats haften. Mit dem Stabilitätspakt wird von vornherein sichergestellt, dass die Nettoneuverschuldung auf unter 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Die Euro-Teilnehmer werden daher auf Dauer ohne Probleme ihren Schuldendienst leisten können. Eine Überschuldung eines Euro-Teilnehmerstaats kann daher von vornherein ausgeschlossen werden.“ Vgl. http://wize.life/themen/foto/51dfa316150ba03843000021

[3] Nach Aussage der Süddeutschen Zeitung wurden die Verträge zur Währungsunion bis heute 165 mal gebrochen; vgl. SZ vom 3. Januar 2017, Seite 15

[4] Ende November 2016 betrugen die Target-Forderungen der Bundesbank gegen das Euro-System 754 Mrd. €! Dies entspricht ca. 50% des Nettoauslandsvermögens der Bundesrepublik Deutschland. Vgl. Hans-Werner Sinn, Handelsblatt, 08.12.2016, S. 48 bzw. http://www.hanswernersinn.de/de/Handelsblatt_08122016

[5] Vgl. http://www.mmnews.de/index.php/wirtschaft/39922-ezb-euro-d-haftet-mit-fast-1-bio

[6] ECB: The Household Finance and Consumption Survey Nr. 18/2016

[7] Vgl. auch Malis Weidtmann, Armes Deutschland! Aber Griechenland geht es gut, in Effecten-Spiegel Nr. 2 vom 12.1.2017, Seite 2-3.

[8] ECB,  Seite 10 & Seite 42

[9] ECB,  Seite 46 bzw. eigene Berechnungen nach ECB Tabelle A 11.C,  Seite 120

[10] ECB, Seite 81